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eScooter auf dem Vormarsch

AustriaTech und Städtebund präsentieren eScooter-Leitfaden für Städte und Gemeinden

11.09.2019

Im Bereich der urbanen Mobilität gibt es aktuell zahlreiche Entwicklungen. Eine davon: Shared eScooter. Diese neue Form im Bereich der Mikromobilität spaltet die Meinungen. Befürworter, welche eScooter als innovative Mobilitätsform mit überwiegend positiven Aspekten sehen, treffen auf Rufe, die sich auf eine geringe Nachhaltigkeit und noch nicht ausgereifte Geschäftsmodelle beziehen. Die Städte sind gefragt die künftigen Entwicklungen der Shared eScooter in die richtigen Bahnen zu lenken uns so ihr Potenzial nutzen zu können. Dafür müssen bestehende Herausforderungen bewältigt werden. Experte DDI Gerhard Gruber, AustriaTech, gab in einem Interview einen fachlichen Einblick.

Herr Gruber, welche maßgeblichen Veränderungen im Mobilitätsverhalten finden gerade statt?

Gruber: „Digitalisierung und künstliche Intelligenz beeinflussen zunehmend den Bereich Mobilität. Sie erleichtern die Verwendung vieler neuer Mobilitätsentwicklungen wie Mikromobilität oder Sharing im Bereich der Personenmobilität erheblich und treiben deren Weiterentwicklung voran. Cloud computing, GPS, Smartphone-Anwendungen und mobile Zahlvorgänge sind die Haupttreiber für „dockless systems*“, wie sie hauptsächlich bei Shared eScootern zum Einsatz kommen.

Maßgeblich für die Wahl des Verkehrsmittels, und zwar quer durch alle Bevölkerungs- und Altersgruppen, sind neben ökonomischen Gesichtspunkten nach wie vor Flexibilität, Komfort, Freiheit und Planbarkeit. Eine Berücksichtigung dieser Größen sowie der technischen Machbarkeit verändert das Mobilitätsverhalten basierend auf den oben genannten Megatrends. Eine stärkere Diversifikation und Intensivierung der Mobilitätsangebote sind im urbanen Bereich zum Beispiel auf bestehenden Radwegen ersichtlich: immer mehr Fahrräder, eBikes, Lastenräder und eScooter teilen sich diese. Zusätzlich tragen eScooter zur globalen Entwicklung der fortschreitenden Elektrifizierung der Mobilität bei.“

*dockless systems bezeichnen Sharing-Modelle, die stationsunabhängig funktionieren

Welche Rolle spielen Individualität und Nachhaltigkeit dabei?

Gruber: „Individualität drückt sich unter anderem durch einen Wunsch nach größtmöglicher Flexibilität aus. Insofern sind Mobilitätsangebote, die Individualität ermöglichen, in unserer Gesellschaft zunehmend gefragt. Die Entwicklung im Bereich der Mikromobilität steht hier erst am Anfang. Bei den eScootern wird unter Hochdruck an der Weiterentwicklung der aktuellen Modelle gearbeitet. Ein Beispiel sind austauschbare und leistungsstärkere Akkus, welche sowohl die Rentabilität für die Anbieter als auch die Umweltverträglichkeit der eScooter stark verbessern sollen. Durch die daraus resultierende Erhöhung der Nutzungsdauer werden sowohl ökonomische als auch ökologische Ziele besser erfüllt.“

Welche Chancen und Potenziale sieht AustriaTech bei neuen Services wie beispielsweise Shared eScootern? Was ist der Mehrwert von eScootern?

Gruber: „Sinnvoll in das bestehende Verkehrssystem eingebettet können neue Services, wie die eScooter, das Mobilitätsangebot erweitern. Das Einführen von Shared eScooter-Angeboten erfordert Kooperationen zwischen AkteurInnen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung und erfüllt darüber hinaus eine Lernfunktion für alle Beteiligten. Damit wird die Zusammenarbeit bei weiteren möglichen Mobilitätsangeboten der Zukunft verbessert. Die eScooter fungieren in dieser Hinsicht sozusagen als Lernobjekt. Lernzyklen können verkürzt werden und erhöhen dadurch die Innovationsaufnahmefähigkeit der Städte.

Ein weiteres Potenzial besteht in der Datengenerierung bezüglich des Nachfrageverhaltens der NutzerInnen. Die Anbieter tracken unter anderem die Fahrten mit den eScootern und haben somit eine breite Datengrundlage zu Mobilitätsmustern ihrer KundInnen. Wenn diese Daten Städten zu Verfügung gestellt werden, können diese die Infrastruktur anpassen und ihre eigenen Angebote besser auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zuschneiden.“

Welche Herausforderungen können entstehen? Wo liegen die größten Hürden bei der Umsetzung?

Gruber: „Das Rückgrat der städtischen Mobilität muss der Öffentliche Verkehr (ÖV) bleiben. Private Anbieter können die Erfüllung des Grundbedürfnisses Mobilität nur in jenem Maße gewährleisten, in welchem sie wirtschaftlich erfolgreich agieren. In dieser Hinsicht können sie nur als Unterstützung des ÖV angesehen werden.

Grundsätzlich besteht ein Risiko in der Übernutzung des öffentlichen Raums. eScooter beanspruchen zusätzlich die Fahrradinfrastruktur, wodurch einfach gesagt der Raum knapp wird. eScooter sind neu im Stadtbild, deshalb noch ungewohnt und auffallend im öffentlichen Raum. Man muss aber betonen, dass 7.000 eScooter in Wien rund einer Million Kraftfahrzeuge gegenüberstehen, an welche wir uns mittlerweile auch gewöhnt haben, mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen. Derzeit verfügen eScooter noch über keinen Laderaum. Sie sind zudem Witterungen ausgesetzt und daher nur saisonal einsetzbar. Diesbezüglich finden jedoch bereits Forschungen und Entwicklungen statt.“

Was braucht es, um neue Konzepte und Dienstleistungen wie Shared eScooter nachhaltig einzuführen?

Gruber: „Die Innovationsbereitschaft im Mindset der Städte ist Grundvoraussetzung. Für eine erfolgreiche Entwicklung muss viel getestet werden, wofür es einen rechtlichen Rahmen benötigt wie beispielsweise entsprechende Experimentierklauseln. Essenziell ist zudem eine transparente Kooperation und Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Städten und Anbietern. Ideal wäre ein Geschäftsmodell, welches für das Unternehmen gewinnbringend ist und gleichzeitig der Stadt hilft, ihre verkehrspolitischen Ziele zu erreichen. Nicht zuletzt ist ein Ausbau des Radwegenetzes notwendig.“

Wo und wie kann AustriaTech dabei unterstützen?

Gruber: „AustriaTech unterstützt bei Monitoring, Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung. Das nationale und internationale Geschehen wird beobachtet und das gewonnene Wissen zielgerichtet an die relevanten Stakeholder, wie den Städtebund, weitergegeben. Workshops und Publikationen dienen als Werkzeuge zur Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung.

Ihr persönliches Statement zu Shared eScootern in einem Satz:

Gruber: „Bei umsichtiger Einbettung in bestehende Verkehrssysteme können eScooter als jüngste Vertreter von neuen Mobilitätsservices zukünftig ihren Beitrag zur Erhöhung der Nachhaltigkeit im Bereich der Mikromobilität vor allem im urbanen Raum leisten.“

Vielen Dank für das Interview.