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Wie ein Fisch im Wasser

26.09.2018

Das Projekt „LinkingDanube“ nimmt sich der Herausforderung an, Reiseinformationen unkompliziert und umfangreich zugänglich zu machen. Im ExpertInneninterview mit den Projektverantwortlichen Dr. Bettina Neuhäuser und Alexander Hausmann, MSc, durchleuchten wir die Details und sprechen über die Entstehung des Projekts und die nächsten Schritte.

Grafik mit Danny Danube und seiner Freundin, das Maskottchen vom Projekt LinkingDanube

In Zukunft soll Reisen so einfach und flexibel sein, dass man sich wie ein Fisch im Wasser fortbewegen kann. Das gelingt, wenn die vorhandenen Mobilitätsangebote wie Carsharing, Bus, Bahn oder Fahrrad, hürdenlos in Anspruch genommen werden können. Die unterschiedlichen Verkehrsmodi und Verbindungen müssen hierfür zu einem Ozean aus Routen verknüpft werden, ohne dabei vor Landesgrenzen oder den Geschäftsgebieten anderer Infrastrukturbetreiber halt zu machen.

Ein grundlegendes Problem dabei ist jedoch die Zugänglichkeit der Reiseinformationen. Im von AustriaTech koordinierten Projekt „LinkingDanube“ wurde ein Konzept entwickelt, mit dem diese Informationen multimodal und grenzüberschreitend zugänglich gemacht werden: Die Reiseinformationsdienste verschiedener Verkehrsbetreiber werden über die Landesgrenzen hinweg  miteinander verknüpft. Daher reicht es aus, einen Routenplaner zu befragen, nämlich jenen, den man gerade zur Hand hat. Der jeweilige Routenplaner verbindet sich über eine Schnittstelle mit unterschiedlichen Anbietern aus anderen Geschäftsgebieten und fragt die notwendigen Informationen ab.

Wir haben mit den Projektverantwortlichen Dr. Bettina Neuhäuser und Alexander Hausmann, MSc über die Vorteile des im Projekt entstandenen Konzepts gesprochen und sind dabei der Frage nachgegangen, welche Vision ihrer Arbeit zugrunde liegt.

Seit fast zwei Jahren arbeiten Sie nun an „LinkingDanube“. Wie kann man sich den Entstehungsprozess des Projekts vorstellen? Die Idee für das Projekt entsteht ja nicht von heute auf morgen.

Neuhäuser: Da greifen viele Mechanismen ineinander. Natürlich spielt die Europäische Kommission hierbei eine entscheidende Rolle, da sie in delegierten Rechtsakten vorgibt, wie beispielsweise mit Daten zum Thema Reiseinformation in den Mitgliedsländern zu verfahren ist. Also, dass sie bereitgestellt werden müssen und in welchem Format das zu geschehen hat. Der regulative Rahmen gibt also die Umsetzung vor, setzt aber keine thematischen Forschungsschwerpunkte.

Hausmann: Das geschieht viel mehr aus einer fortlaufenden Entwicklung. Zum einen wird, wie in diesem Fall, vom „Danube Transnational Programme“ ein gewisser Fokus vorgegeben, im Rahmen dessen man Projekte einreichen kann. Der Fokus basiert auch auf den Ergebnissen vorangegangener Projekte, was in diesem Fall das Projekt „EDITS“ (ebenfalls Projekt mit AustriaTech-Beteiligung, Anm. d. Red.) war. Dieses Projekt hat sich bereits mit grenzüberschreitender Reiseinformation beschäftigt.

Neuhäuser: Genau, bei EDITS hat man sich erstmals mit grenzüberschreitendem Datenaustausch im Bereich Reiseinformationssysteme beschäftigt und den individuellen mit dem öffentlichen Verkehr verbunden. Hierbei ging es darum zu testen, wie der Datenaustausch unter den Verkehrsbetreibern aussehen kann. Bei diesem physischen Datenaustausch mussten die Daten der jeweils anderen Betreiber in die eigenen Datenbestände eingepflegt werden. Datenformate und Aktualisierungsprozesse mussten dabei mit allen Partner abgestimmt werden. Das bedeutete einen relativ hohen Aufwand bei der Datenintegration. Außerdem ist die Bereitschaft Daten aus der Hand zu geben nicht bei allen Betreibern groß. Oft besteht die Sorge, dass die eigenen Daten nicht in der gewünschten Qualität und Aktualität an die Endkunden weitergegeben werden. Man verliert so ein bisschen die Souveränität über die Bereitstellung von Informationen.

"Bei diesem dezentralen Ansatz müssen die Betreiber auch keine Bedenken haben, dass ihre Datensätze außer Haus gespeichert werden. Es entsteht hingegen ein Netzwerk an Partnersystemen, die ihre Systeme aneinander anbinden."

Was macht LinkingDanube dagegen anders?

Neuhäuser: Die Grundlage des Systems ist eine gemeinsame standardisierte  Schnittstelle. Das heißt die Daten selbst werden nicht ausgetauscht, sondern bleiben auf den Servern der Quellsysteme, also dem jeweiligen Betreiber im jeweiligen Land, gespeichert. Eine  Web-Schnittstelle, eine sogenannte API, die jedes dieser Systeme implementiert, ermöglicht dann die Kommunikation zwischen den Systemen. Die Informationen werden also nur nach Bedarf am Quellsystem abgerufen, die Daten bleiben dezentral vorgehalten.

Hausmann: Bei diesem dezentralen Ansatz müssen die Betreiber auch keine Bedenken haben, dass ihre Datensätze außer Haus gespeichert werden. Es entsteht hingegen  ein Netzwerk an Partnersystemen, die ihre Systeme aneinander anbinden. Es ensteht ein sogenanntes „verteiltes System“, ein zentraler Datenpool wird unnötig. Es gibt nun aber unterschiedliche Architekturen für solche verteilten Systeme. In der Donauregion haben wir es mit einer sehr heterogenen Organisation und technischen Ausstattung der einzelnen Betreiber zu tun. Deshalb schlagen wir einen zentralen Kommunikationsknoten vor, der intelligent genug ist, um jedes der anderen Systeme anzusprechen, Informationen abzufragen, zusammenzuführen und einem anderen verknüpften System mitzuteilen.

Neuhäuser: Genau, die Hauptarbeit macht also ein System, dennoch bleibt die Architektur grundsätzlich eine verteilte. Prinzipiell wäre es auch möglich, dass alle Systeme so intelligent sind und Abfragen einholen und zusammenführen. Hier hätten wir  eine netzartige Architektur in der die Systeme gleichrangig, also auf einer „peer-to-peer“ miteinander sprechen. Die Betreiber müssen selbst entscheiden, welche Rolle sie in dem verteilten System einnehmen wollen.

Das klingt erstmal recht kompliziert. Wir reden von einer Art Informant, der zwischen verschiedenen Systemen hin und her rennt?

Neuhäuser: So in etwa. Grundsätzlich ist die API nichts anderes als ein Webservice, das es anderen Diensten ermöglicht Informationen bei Bedarf abzufragen und diese Informationen in die eigenen Services zu integrieren. Der Benutzer bekommt davon nichts mit, diese Abfragen laufen im Hintergrund ab. Wir benutzen hier immer gerne  den Vergleich mit einem Kellner. Obwohl ich in einem österreichischen Restaurant sitze, kann ich mir ein Menü aus ungarischen, slowenischen und rumänischen Speisen zusammenstellen. Denn mein Kellner ist schlau genug, um die Gerichte bei den jeweiligen Restaurants abzufragen und in das Heimrestaurant zu bringen. Bei einem Restaurant klingt es vielleicht langweilig, wenn ich mich immer in der gleichen Umgebung aufhalte, bei Routenplanern kann das aber ein entscheidender Vorteil und für die NutzerInnen sehr komfortabel sein. 

Infografik zur Informationsvernetzung mehrerer Apps bei LinkingDanube

Ist in Österreich bereits einer dieser Kellner im Einsatz?

Hausmann: Ja, mit der Verkehrsauskunft Österreich haben wir bereits eine nationale multimodale Plattform die in einem Piloten die genannte API einsetzt und mit Systemen aus den Partnerländern Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tscheschien und Rumänien kommuniziert.

Wie kam es dazu, dass die AustriaTech in diesem Projekt die führende Rolle übernommen hat?

Neuhäuser: Das lag einfach daran, dass wir hier jahrelange Erfahrung hatten. Bei der Umsetzung des IVS-Aktionsplans haben wir beispielsweise die Entstehung der Verkehrsauskunft Österreich von Beginn an  begleitet und konnten unser Know-how in Bezug auf Daten- und Service-Schnittstellen und dem Vernetzen von Betreibern nicht nur im EDITS-Projekt, sondern auch bei anderen europaweiten Projekten wie In-Time, Co-Cities oder Rail4SEE ausbauen. Auch die Auseinandersetzung mit Europäischen Standards und Normen ist dafür nötig. Dass wir beim Projekt LinkingDanube dann die Rolle des Koordinators eingenommen haben, ist maßgeblich der jahrelangen Arbeit in dem Bereich geschuldet.

Können Sie die Vorteile für die Reisenden noch näher erläutern?

Hausmann: Um ein großflächiges Mobilitätssystem zu etablieren, das nicht an einer Grenze endet und die Reisenden sozusagen nötigt, sich erstmal zu erkundigen, „welche App brauche ich jetzt hier?“ und „gibt es die Reiseinformation überhaupt in meiner Sprache?“, verknüpfen wir bestehende Reiseinformationssysteme miteinander. Das heißt, dass ich mit meiner  gewohnten Reise-App von Wien bis nach Bukarest reisen könnte.

Neuhäuser: Die Reisenden genießen viele Vorteile. Zum einen können sie sich auf die bekannte Funktionsweise ihres üblichen Reiseinformationsservices verlassen und zum anderen, wird dieser Service um weitere Informationen erweitert. Wie beispielsweise die Auskunft über durchgängige, grenzüberschreitende Routen, oder das zusätzliche Angebot weiterer Verkehrsträger. Der Zugang zu Information wird so bequemer und gleichzeitig effizienter. Man fühlt sich wie ein Fisch im Wasser, da man sich stets in gewohntem Terrain bewegt und alle Destinationen sehr leicht erreichen kann.

"Im Idealfall soll es dazu führen, dass der Individualverkehr zurückgeht, indem man den Menschen bewusst macht: Hier hast du eine durchaus praktische, schnelle und bequeme Alternative zu deinem Auto."

Welche Auswirkungen auf das Verkehrssystem sind denkbar?

Hausmann: Der Vorteil bei solchen integrierten Lösungen ist immer auch im multimodalen Ansatz zu finden. Im Idealfall soll es dazu führen, dass der Individualverkehr zurückgeht, indem man den Menschen bewusst macht: Hier hast du eine durchaus praktische, schnelle und bequeme Alternative zu deinem Auto.

Neuhäuser: Oftmals ist nämlich allein der Zugang zu Information eine wesentliche Hürde. Also wenn ich drei Auskunft-Systeme befragen muss, die ich eventuell nicht richtig kenne, nur um Informationen von Tür zu Tür zu kommen, ist das durchaus herausfordernd. Diese Hürden wollen wir abbauen, damit auch Mobilitätsangebote abseits des eigenen Autos bekannter und attraktiver werden.

 Infografik, auf der gezeigt wird, dass man nur noch eine App für alle Orte braucht, statt mehrerer für mehrere Orte

Gibt es auch so etwas wie eine Vision vom zukünftigen Mobilitätssystem, die Sie antreibt?

Hausmann: Auf jeden Fall. Aus europäischer Sicht haben wir das ja bereits angerissen. Es gibt beispielsweise das „Weißbuch Verkehr“ von 2011 oder die 2020 Strategie, die die europäischen Visionen von einem ganzheitlichen multimodalen Verkehrssystem beschreiben. Dabei steht Multimodalität und das Verknüpfen der Verkehrsträger großteils im Mittelpunkt.

Neuhäuser: Schön wäre es natürlich auch, wenn man später mal nur ein Ticket für seine Reise kaufen müsste, egal wie oft man in ein anderes Verkehrsmittel umsteigt. Oder, um es noch weiter zu denken, man hat nicht mehr nur eine Jahreskarte für die U-Bahn oder S-Bahn, sondern für das gesamte Mobilitätssystem. Eine Art Abonnement mit dem ich Carsharing, Bikesharing, Mietwagen, Bus, Bahn, Straßenbahn und Taxi gleichermaßen nutzen könnte. Allerdings müssen wir jetzt erstmal die Grundlagen dafür schaffen, indem wir die verkehrsträgerübergreifende Informationsdistribution bewerkstelligen.

Wie geht es jetzt weiter?

Neuhäuser: Wir befinden uns jetzt in einem Überzeugungsprozess. Wir wollen den Betreibern die Möglichkeit geben, sich mit diesen Technologien vertraut zu machen und pilotweise in ihren Systemen zu implementieren. Sie müssen sich die Frage stellen, ob sie selbst in Zukunft zentrale Knotenpunkte in der europäischen Reiseinformation sein wollen.  Denn es geht nicht nur darum, dass wir ein Endergebnis erzielen und beispielsweise den „Danube Region Journey Planner“, also einen Reiseinformationsservice für die gesamte Donauregion, implementieren. Sondern es geht auch um Lern- und Entwicklungsprozesse bei den beteiligten Stakeholdern und Partnern, damit man später in eine operative Phase übergehen kann.

Hausmann: Das würde ich auch als Chance betrachten. Denn durch das Verknüpfen von Diensten werden die Reichweiten und die Geschäftsgebiete der einzelnen Betreiber erweitert.

Neuhäuser: Bis Ende des Jahres werden wir noch mit der technischen Umsetzung beschäftigt sein, aber ab dem kommenden Jahr soll das verteilte System mit all seinen Komponenten fertig gesrtellt sein  und auch in Demonstrationen die Attraktivität für den Endkunden präsentiert werden.

Wer mehr über das LinkingDanube-Konzept erfahren möchte, kann die Broschüre hier online lesen oder per E-Mail bestellen. Das Interview wurde vom AustriaTech-Redaktions-Team geführt.

Mehr Informationen zu LinkingDanube finden Sie hier.

Was ist eine API?