15.06.2020
Wie hängen automatisierte Mobilität und Klima zusammen? Welche Maßnahmen müssen künftig ergriffen werden? Eine Antwort auf diese und weitere Fragen gibt unser Leiter des Teams Automatisierte & Saubere Mobilität, Wolfram Klar.
Wenn über Automatisierung nachgedacht wird, haben viele Menschen Komfort, „Hände weg vom Steuer“ oder Robo-Taxis im Kopf – dabei ist automatisierte Mobilität weit mehr, oder?
Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Automatisierung tatsächlich viel mehr ist als nur ein „Hände weg vom Steuer“. Man muss unterscheiden zwischen dem, was die LenkerInnen bzw. die Fahrzeuge in verschiedenen Situationen bereits heute dürfen bzw. können und dem, was künftig im Level 4 und 5 an vernetzten Mobilitätsangeboten möglich sein wird. Dazwischen gibt es viele Nuancen und Abstufungen, sowohl wo derartige Systeme genutzt werden können als auch von der zeitlichen Realisierbarkeit. Anhand von Feedback, beispielsweise aus dem BürgerInnen-Dialog, sieht man, dass die Leute prinzipiell eine positive Einstellung zu Automatisierung haben und erkennen, welche Chancen sich daraus ergeben. Natürlich ist auch Unsicherheit vorhanden – hier sind wir aber laufend bemüht, Aufklärungsarbeit zu leisten.
Verkehrsentwicklung durch neue Technologien und die Wirkung auf Klimaziele: wie können wir einem höheren Verkehrsaufkommen vorbeugen? Wie kann automatisierte Mobilität CO2-Emmissionen auch reduzieren?
Ich glaube, dass die Effekte, die man aus der Automatisierung in Richtung Klimaziele ziehen kann, dann realisierbar sind, wenn wir die Automatisierung in die Gesamtplanung gut integrieren – und dabei nicht nur allein das Fahrzeug bzw. den Verkehrssektor mitdenken. Wenn der einzige Output der ist, dass mein Auto automatisiert fährt, habe ich einen Komfort- oder Sicherheits-Gewinn, der zu mehr und längeren Fahrten führen wird und somit auch bei umweltfreundlicheren Antrieben nicht unbedingt gut für die Umwelt ist. Wenn die Automatisierung aber in der räumlichen Entwicklung oder Stadtplanung berücksichtigt wird und sich dadurch Mobilitätsangebot sowie Nachfrage verändern, dann kann ich die Siedlungsentwicklung anders gestalten und dafür sorgen, dass dadurch automatisierte Mobilität den öffentlichen Verkehr ergänzt. Ein anderes Beispiel ist der Güterverkehr. Wenn durch die Automatisierung des Güterverkehrs auch Warenströme besser gemanagt werden, so hat das positive Wirkungen auf Auslastung, Kostenwahrheit und Verkehrsfluss. Und auf Basis der generierten Daten und Informationen kann verkehrsträgerübergreifend umweltorientiert gesteuert und Angebote aufeinander abgestimmt werden. Allerdings kann das natürlich nicht von heute auf morgen passieren. Der Umstieg ist eine langsame Entwicklung – nicht nur technisch gesehen, sondern auch hinsichtlich der organisatorischen Anpassungen entlang der Logistikkette, aber auch der Entwicklung der Berufe. Abgesehen vom Einsatz im Güterverkehr und der Bedeutung für die räumliche Gestaltung ergibt sich auch interessantes Potenzial in der Kombination mit Verkehrsmanagement – besonders, wenn es sich nicht nur um einzelne Fahrzeuge handelt, sondern um Fahrzeugflotten mit gemanagten Poolingmöglichkeiten. So könnten Staus reduziert, Wegstrecken optimiert und die Fahrweise selbst CO2-neutral gestaltet werden.
Welche Maßnahmen müssen dahingehend also ergriffen werden?
Die gesamte Phase, in der wir sowohl herkömmliche als auch automatisierte Fahrzeuge gleichzeitig auf der Straße haben, stellt eine große Herausforderung dar. Es braucht verlässliche Steuerungsmechanismen für alle Arten von Fahrzeugen, daher ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur gerade jetzt so wichtig. Neben dem Erlangen der technischen Reife, muss auch auf gesellschaftlicher Ebene Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Vorstellung des fahrerlosen/Lenkrad-losen Fahrzeugs ist für viele Menschen noch nicht greifbar. Im öffentlichen Verkehr können NutzerInnen bereits Automatisierungs-Technologien erleben, die im Individualverkehr derzeit noch nicht allgemein verfügbar sind. Hier einen nächsten Schritt zu gehen, wäre für die NutzerInnen also vielleicht leichter zu akzeptieren. Die Politik, Städte und Gemeinden sollten da meiner Meinung nach einen ersten Schritt gehen, sofern die technische Entwicklung eine Umsetzung ermöglicht.
Maßnahmen, die es zu ergreifen gilt, wären also erstens Aufklärung über die Möglichkeiten, die die Automatisierung bietet. Zweitens die Schaffung von Steuerungsmöglichkeiten für vernetzte und teilautomatisierte Fahrzeuge. Und drittens sollte der Fokus auf serviceorientierte Angebote im Personen und Güterverkehr gelegt werden, um die Akzeptanz der Automatisierung zu stärken.
Oft wird Automatisierung mit E-Mobilität gekoppelt. Stellt dies eine zwingende Notwendigkeit dar?
Die Koppelung von Automatisierung mit E-Mobilität macht in vielen Bereichen Sinn, ist aber nicht zwingend notwendig. Auch ein Verbrennungsmotor bei automatisierten Fahrzeugen ist prinzipiell möglich– es kommt auf den Verwendungszweck der Fahrzeuge an. Mittelfristig gibt es im Zusammenspiel von Automatisierung und Elektrifizierung aber erweiterte Möglichkeiten - gerade im Kontext neuer Services. Wir haben in der Diskussion zur Automatisierung meist drei Komponenten zu betrachten: Erstens die Entwicklung der Automatisierung selbst, zweitens die technische Seite – also zum Beispiel welcher Antrieb verwendet wird und drittens spielt die Frage, wem das Fahrzeug gehört, eine Rolle. Denn auch Sharing ist im Zuge von Automatisierung und Klimawirkung ein wichtiger Aspekt – ein entsprechendes integriertes Gesamtsystem hat starke positive Effekte, ein einzelnes Fahrzeug wohl kaum.
Wo setzt die Kontaktstelle Automatisierte Mobilität da an?
Der Fokus der Kontaktstelle liegt vor allem auf der Unterstützung von Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich automatisierte Mobilität, das betrifft das Testen ebenso, wie das Bereitstellen von Informationen oder die Vernetzung von Stakeholdern oder die operative Koordination von begleitenden Maßnahmen – wie im Aktionspaket des BMK definiert. Wenn sich gute Synergien zum Thema Umweltwirkung ergeben, dann greifen wir diese aktiv auf. Es ist aber immer wichtig, das Gesamtsystem zu betrachten. Das heißt, man muss das Verkehrsmanagement, die Stadt- und Siedlungsentwicklung sowie die Entwicklungen neuer Mobilitätsdienste stark miteinbeziehen – damit lässt sich dann auch etwas bewirken.